DIE VOLLFORMAT LÜGE.

Der Titel ist natürlich dick aufgetragen, bringt aber doch auf den Punkt wie ich mittlerweile über die ganze Geschichte Crop vs. Vollformat denke.

Damals….ja damals war alles noch ein wenig anders gelagert. Kaum ein Fotografie begeisterter Einsteiger kauft sich direkt eine Vollformat Kamera (Auch 35mm Kleinbildformat genannt). Die Zeitschriften und Angebotsblätter großer Elektronik Stores sind voll mit Angeboten zu günstigen Spielreflex Kamera mit Crop Sensor. So kaufte auch ich vor langer Zeit mal eine Canon 400d mit Kit Linse.

Aus der Leidenschaft würde eine Sucht und das Verlangen nach mehr und immer besseren Equipment. Natürlich gab es viele Objektive die man sich erträumt hatte aber grade eine Kamera mit Vollformat Sensor war das höchste der Gefühle. Irgendwann zog auch eine Canon 5D Mark II in meinen Fuhrpark ein und ja, sie war gut. Ich glaube aber Rückblickend das ich mir auch ganz viel daran schön geredet hatte. War der Unterschied wirklich so groß? Hat mein Unterbewusstsein versucht den teuren Kauf zu rechtfertigen? Ich weis es nicht mehr. Zu dieser Zeit gab es sicher noch den ein oder anderen Sprung was die Megapixel und Dynamiken der Sensoren anging, aber eins ist mir erst viel später klar geworden….der Fotograf macht das Bild, die Technik ist nur ein Teil des ganzen.

2017 war für mich ein Interessant. Jahrelang hatte ich mit der Canon 5D viel Spaß gehabt. Ein gutes Werkzeug. Die Spiegellosen Kamerasysteme waren schwer auf dem Vormarsch und obwohl ich den digitalen Sucher bei Tests um 2015 total gehasst hatte, war das neue, unbekannte Land irgendwie Interessant geworden. 2017 legte ich mir zum „Reinschnuppern“ eine Sony a6300 zu. Eine Crop Kamera. Focus then recompose wich Gesichtserkennung und ISO Belichtungszeitautomatiken. Der Technische Fortschritt hat Einzug gehalten. Der Dynamikumfang und das Rauschverhalten lag Welten über dem meiner betagten Canon 5d. Anfang 2018 rücke die Sony a7Rii nach und ich verabschiedete mich vom Canon Lager.

Ich fotografiere im Studio am liebsten in Brennweitenbereichen um 50mm am Vollformat. Der Look entspricht sehr unserem Sehapparat. Kleinere Brennweiten verzerren und große Brennweiten stauchen die Perspektive. 50mm sind schon echt super. Am Vollformat nutze ich ein Sigma 50mm F/1.4 und am Crop ein 30mm F/1.4 was in etwa dem Blickwinkel einer 45mm Brennweite am Vollformat entsprechen würde.

Sony_a7rii und Sony_a6300.jpg

Jetzt kommen wir auch so langsam an den Kern der Sache….

Wozu brauchte ich eigentlich soooo sehr eine Vollformat Kamera? Die Sony a6300 mit dem Sigma 30mm F/1.4 hat mir deutlich gezeigt das selbst mit einer Crop Kamera fast kein Unterschied zum Vollformat zu sehen ist. Die Sensoren sind mittlerweile alle auf einem so hohen Niveau und die Differenz zwischen einzelnen Sensoren ist nicht mehr so hoch wie es vielleicht vor 4-5 Jahren noch der Fall war. Ich habe dazu auch einfach mal verschiedene Vergleichstests gemacht und sei es Dynamikumfang oder Rauschverhalten, die beiden Kameras sind fast auf selben Niveau. Natürlich hinkt der Vergleich beim ISO Rauschen etwas, denn die a7Rii mit ihren 42,5MP hat klar mehr Auflösung. Die 100% Ansichten der beiden Kameras unterscheiden sich im Rauschen aber kaum, denn die Pixeldichte scheint ähnlich zu sein. Somit kann ich für mich fest halten: ISO Rauschen ist auf 100% Ansicht vergleichbar, die a7Rii hat aber durch die Auflösung ein feineres Rauschen was beim verkleinern des Bildes Vorteile haben wird. Der einzige wirklich sichbare Unterschied liegt für mich in der Freistellung. Der größere Sensor bewirkt einfach bei gleicher Offenblende und ähnlicher Brennweite eine geringere Schärfentiefe. Ich ziehe hier mal als Vergleich die a6300 mit dem 30mm F/1.4 und die a7Rii mit dem 50mm F/1.4 heran und kann als Resultat nennen das die Crop Kamera @F/1.4 ungefähr eine Freistellung wie eine Vollformat @F/2,5 hat. 

 

Ich bin Studio Fotograf und dazu noch spezialisiert auf arbeiten mit LED Dauerlichtern. Mir ist bei dem Vergleich der beiden Kamera Systeme eines klar geworden. Ein Porträt bei lichtstarken 50mm @F/1.4 zu schießen ist von den kurzen Belichtungszeiten zwar toll, aber oftmals schwierig von der Schärfentiefe. Durch den schmalen Schärfenbereich ist leider auch immer viel Ausschuss dabei. Nicht weil der Fokus falsch sitzt, sondern eher weil der Unschärfenbereich ungünstig verläuft. Sehr viel angenehmer sind Blenden im Bereich F/2,8. Bei einem Oberkörper- / Kopfportrait habe ich immer noch viel Unschärfen mit denen ich kreativ arbeiten kann. F1.4 ist heftig und mal ehrlich? Portraits mit extrem geringer Schärfentiefe können Mega cool aussehen, können aber auch schnell frustrierend werden wenn man 90% der Fotos aussortieren muss.

Irgendwann kam mir die Erkenntnis das wenn ich 2 Kamerasysteme mit ähnlicher Brennweite und gleicher Lichtstärke habe, ich beim Vollformat abblenden muss und bei der Crop nicht, um gewünschte Schärfentiefe zu erhalten. Abblenden heisst aber auch weniger Licht und längere Belichtungszeiten bzw. höhere ISO Werte. Warum also nicht zur Crop Kamera greifen wenn ich dabei mehr Licht nutzen kann, den gleichen Dynamikumfang und Rauschverhalten habe? 

Ist der Hype um Vollformat gerechtfertigt gewesen?

Ja und nein, denn es gibt für beide Systeme Bereiche wo sie ihre Stärken ausspielen können. Beim Vollformat ist es der breitere Blickwinkel und die höhere Freistellung im Weitwinkelbereich und beim Crop der Vergrößerungsfaktor im Telebereich durch den kleineren Blickwinkel des Sensors. Man bekommt als Beispiel den Vollformat Look eines 35mm F/1.4, der im Outdoor Bereich und grade auf Hochzeiten gerne genutzt wird, nur schwer an der Crop Kamera hin. Man bräuchte dazu ein 23mm F/0,9 Objektiv. Davon ab das es diese Linse nicht gibt, kommt man auch irgendwann an den Punkt wo die Bildqualität zu lasten der Lichtstärke geht. 

Zusammenfassend… eine Kamera mit Crop Sensor ist nicht schlechter als eine mit Vollformat Sensor. Du wirst mit Vollformat auch nicht kreativer oder besser werden. Vollformat spielt bei Freistellung im Weitwinkel ihre Trümpfe aus und Crop durch Vergrößerungsfaktor im Telebereich. Das sind aber auch nur die Grenzbereiche. Vergleicht man man beide Kamera´s von Größe, Gewicht, Anschaffungspreis und Bildqualität macht der Griff zur Crop Kamera durchaus mehr Sinn. Für mich ist das was die Medien mit uns machen die besagte „Lüge“. Größer ist ist besser, mehr ist besser. Fast jeder hat das im Hinterkopf…auch wenn es vielleicht nur unbewusst geschehen ist weil man seinen Vorbildern hinterher eiferte die einem suggeriert hatten das Vollformat besser ist…die das auch von ihren Vorgängern übernommen hatten…und diese auch von ihren Vorgängern übernommen hatten. 

Die Kamera ist ein Instrument zum erstellen der Fotos und nur ein Teil des gesamten Prozesses. Bleibt kreativ und fotografiert…lasst nicht die Technik der wichtigste Teil eurer Fotografie sein.

 

Lieben Gruß 

Frank